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Su, lass mal schnacken

Schon lange habe ich diese Kategorie nicht beschrieben- und das ist eigentlich verdammt schade.
Aber es gibt einfach Menschen, die ich euch nicht vorenthalten möchte- Su ist so jemand.
Oft begegnet einem der Spruch: „Sei mal positiv!“ – aber niemand sagt einem genau wie so etwas ganz genau anzugehen ist.
Für mich persönlich ist ein Beispiel für so eine Lebenshaltung die Verwirklichung von Projekten, die scheinbar in Krisen ihren Ursprung haben- und genau solche Accounts inspirieren mich.
Su ist die Initiatorin von Cancer Unites, einer online Plattform (von und) für Krebspatient:innen.
Es ist eine Anlaufstelle und ein digitaler Ort für Informationsaustausch, der 2020 völlig zurecht mit dem
smart hero award ausgezeichnet wurde.
Aber auch ganz privat ist Su eine inspirierende Frau, mit der man ausgezeichnet auf 1-5 Chai Tees an der Flughafenaussichtsplattform versacken kann 😉
Und weil Su und ich uns schon eine Weile kennen, folgen und schätzen, ist es mir leicht gefallen Fragen zu stellen, die nicht in einem Interviewleitfaden stehen, sondern auch sehr persönlicher Art sind und freue mich sehr über die tiefsinnigen, privaten Gedanken, die sie hier mit uns teilen wird.
Deshalb starte ich den Trommelwirbel und sage:

credit: privat

Steckbrief:
Su, Diagnose_Leben
Alter: 40
Erstdiagnose: mit 31 Jahren, 03/2014
Wohnort: Hamburg

Musikgeschmack: Funky House, Hawaiian Ukulele, Tech House, 80s
Was schätzt du an anderen: Ehrlichkeit, Lachen, Vertrauen
Was ist dir wichtig? Spaß
Was raubt dir den letzten Nerv? Emotionaler, psychischer Stress
Beste Werbung ist: ich mag keine Werbung, das ist nur Kommerz. Ansonsten gibt es noch die hier, vielleicht kennst du die noch? 😀
Dein bestes Rezept: Sri Lanka Curry

Besucht Su auf ihrem Blog:


Paula:
Su, wenn ich so über dich nachdenke, dann bist du eine Bloggerin, von der ich verdammt viel weiß
(Stand-up-paddeln, deine berufliche Zeit auf Ibiza, dein Alter Ego Beate, dein Lymphödem, dein Schneehäschen oder deine SUP-STORY-Lounge –für mehr Input folgt Su auf Instagram), aber verhältnismäßig wenig über deine Erkrankung ansich. 
Ich schätze das sehr, weil deutlich wird, dass die Erkrankung dich nicht ausmacht.
Welchen Stellenwert hat sie in deinem Leben?

Su:
Auf dem CT gibt es derzeit meine Erkrankung, und wenn ich im Krankenhaus zur Therapie gehe, gibt es die Erkrankung.
Ansonsten komme ich gut ohne die Erkrankung zurecht. Ich informiere mich hin und wieder darüber, tausche mich mit Gleichgesinnten auf Augenhöhe aus, habe ein paar Wehwehchen und ruhe mich mittags immer aus, weil ich platt bin und alles verarbeiten muss.
In der restlichen Zeit gibt es die Erkrankung nicht und das ist auch gut so, denn Krebs macht mich nicht aus, ich definiere mich nicht über den Krebs.
Mein Leben ist voller Freude mit lieben Menschen, Zeit am Meer und auf dem Wasser, das ist mein Fokus.
Ich wachse durch meine Erkrankung schneller mental heran als mir manchmal lieb ist. Würde ich der Erkrankung mehr Raum geben würde sich der ganze Tag nur darum drehen und das fühlt sich meiner Meinung nach nicht gut an.
Für mich ist es wichtig ein Leben ohne große Beeinträchtigung führen zu können.
Wenn ich mich manchmal zu sehr damit befasse, nimmt es mich mental sehr mit und ich bin traurig über die Situation. Denn wer hört schon gerne „Du bist todkrank!“
Aus diesem Grund suche ich immer einen Weg, indem ich mir schöne Erinnerungen schaffe an die ich gerne denke, auch wenn ich schwer krank bin.

Paula:
Es gibt wenige Blogger:innen, die über metastasierte Situationen sprechen- was glaubst du woran das liegt?

Su:
Es macht Angst, zeigt dir Hilflosigkeit, die Verzweiflung.
Ich selbst würde auch nicht über metastasierten Brustkrebs sprechen, dennoch hat es mich erwischt.
Als ich 2014 das erste Mal an Brustkrebs erkrankte war mir nicht bewusst, dass ich eines Tages über metastasierten Brustkrebs sprechen würde.
Mein Blog, den ich 2014 startete, lief nach und nach aus bis 2018 die Erkrankung zurückkam. Es machte mir Angst, dass die Erkrankung plötzlich weiter voranschritt und ich dachte es wäre das Ende.
2018 und 2014 hatte ich niemanden zum Austausch, als Gesprächspartner und so kam es, dass ich auch dieses Mal drüber bloggte.
Es dient dazu sich gegenseitig Hoffnung zu geben, sich auszutauschen und zu zeigen, dass auch ein Leben mit metastasierten Brustkrebs möglich ist und dass die verschiedenen Therapieansätze sich immer rasanter weiter entwickeln.
Für mich ist das Bloggen auch eine Art eigene Therapie, ich mache kein Drama draus, sondern versuche verschiedene Lösungswege aufzuzeigen die man als Erkrankter oder auch als Angehöriger gehen könnte. Gegenseitige Unterstützung, Verständnis (Verständnis kommt von verstehen und nur wenn wir etwas verstehen, können wir damit umgehen) und Hilfe ist genau so wichtig wie die Schulmedizin.

Paula:
Du bist bewundernswert sportlich, dein Content zeigt viele Facetten rund um das Thema SUP und du engagierst dich in deiner Freizeit aktiv in diesem Bereich: Welche Bedeutung hat der Sport- das SUP im Besonderen- im Umgang mit deiner Erkrankung?

Su:
Laut einiger Studien ist Sport eine Möglichkeit die das Risiko zu erkranken senken kann.
(Lesenswerter Artikel zum Thema/ Anm.)
Zudem lindert der Sport meine Nebenwirkungen, hält mich mental fit und hilft mir bei der Verarbeitung der Erkrankung.
Wenn ich zum Beispiel mehrere Kilometer auf dem Wasser paddel, gehe ich in der Zeit alles nochmal durch was ich im Krankenhaus zuvor erlebt habe.
Bei einem SUP Rennen zum Beispiel habe ich nach den anderen Teilnehmern geschaut, bin dadurch ins Wanken gekommen und vom Board gefallen. Das hat mir gezeigt, dass ich im Leben immer nach vorne schauen sollte und das tun sollte was mir guttut.
Es hat mir gezeigt, dass es wichtig ist fokussiert zu bleiben.
Wenn wir uns nach anderen umschauen und uns vergleichen, geraten wir ins Wanken und fallen.
Stand-up-paddeln auf dem Meer, die Verbindung mit der Natur helfen mir meine Balance wiederzufinden, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Die verschiedenen Phasen auf dem Wasser könnte man mit den verschiedenen Phasen der Erkrankung vergleichen. Ich gehe beim Paddeln nochmal alles durch und komme am Ende beseelt zurück.
Manchmal bin ich auch wütend und schlage richtig hart rein beim Paddeln, ich wandle meine Wut, Trauer, Angst in Energie um und komme voran auf dem Wasser.
Ich brauche dadurch keine großen Therapien mit Therapeuten und habe weniger Gesprächsbedarf über meine Erkrankung. Auch zuhause reden wir kaum darüber, weil ich es nicht brauche.
Ich habe also mit dem Sport meine eigene Therapie, die mir körperlich, geistig und mental hilft.

Paula:
Du bist sehr humorvoll. Wie gehst du in Lebenssituationen um, in denen es wenig zu lachen gibt? 

Su:
Tja, da bin ich manchmal noch humorvoller als ich möchte. Manchmal habe ich aber auch Momente wo ich einfach traurig bin, weine, für mich bin.
Wenn es richtig schlimm wird gehe ich raus und reagiere mich körperlich beim Sport ab, bevor ich in eine Negativspirale gelange. Und dann gibt es auch Momente wo ich einfach komplett überdreht bin und meine Putzfrau Beate rauskommt 😀
Es ist also immer anders, man kann es nie voraussagen.
Was ich aber versuche zu vermeiden: meine Wut und Trauer an anderen auszulassen, denn mein Umfeld brauche ich um mich wieder aufzubauen, mir Hoffnung und Mut und Kraft zu geben.

Paula:
„Survivorship“ ist auch in Fachkreisen ein kontrovers diskutiertes Thema – wie sind deine Gedanken dazu?
Su:
Survivorship? Sagt mir nichts, geht das nicht auch auf Deutsch?
Muss ich dann erstmal googeln.
Jeder tut das was er oder sie kann, das was einem gut tut- egal wie lange das sein wird.
Wir Krebspatienten arbeiten da vielleicht härter dran, als die, die keine Erkrankung haben.
Aber wer weiß schon was das Leben so für uns bereit hält?

Ah jetzt habe ich es  gegoogelt: „Langzeitüberlebende“
Warum ist es kontrovers diskutiert?
In Mathe gab es immer die Ausnahme von der Regel, warum gibt es das dann auch nicht beim Krebs?!

Paula:
Manchmal fühle ich mich in meinem Content missverstanden.
Wenn du nur ein paar Zeilen Platz hättest (diese hier zum Beispiel)- wie würdest du deine Kernmessage zusammenfassen?


Su:
Leb dein Leben, fokussiere dich auf das was dir Spaß bringt, dich glücklich macht. Umgebe dich mit Menschen, Gefühlen, Emotionen und Erinnerungen, die eine positive Auswirkung auf dein Leben haben und glaube an das Gute, glaube an dich.
Und wenn mal ein blöder Tag kommt geh früher schlafen als sonst, denn der nächste Tag kommt dann schneller und wird besser.
Meditieren hilft mir zum Beispiel auch mich wieder zu fokussieren und von den vielen Eindrücken des Tages abzulassen.

Paula:
Warum ist Krebs und Lebensglück kein Widerspruch?

Su:
Warum sollte eine Erkrankung generell bedeuten, dass man keine Freude mehr haben darf, nur noch auf das Ende wartet?!
Krebs macht Angst und man weiß nie wie es ausgeht. Manchmal gibt es Menschen die dies als Herausforderung annehmen und diesen Weg mit dir gehen und dadurch eher eine Bereicherung sehen.
So wie mein Mann zum Beispiel, der durch meine Erkrankung das Leben ganz anders nun sieht.
Es besteht nicht mehr nur noch aus Arbeit, sondern aus vielen schönen Dingen, die wir jetzt machen und nicht aufschieben bis zur Rente.
Denn wer weiß wann, und wie die Rente kommen wird?
Du stehst jeden Morgen auf und hast die Wahl, ob der Tag schön werden kann oder nicht.
Nur du selbst entscheidest.
Die Liebe verhilft außerdem oft weiterzumachen, obwohl es wirklich schon Momente gab, an denen ich ohne meinen Partner aufgegeben hätte.
Einen Fels in der Brandung zu haben ist wie ein vierblättriges Kleeblatt zu finden. Du gibst nie die Hoffnung auf. Gemeinsam kreieren wir schöne Momente in schwierigen Zeiten, die uns weiter hoffen lassen.
Als ich 2018 meinen Mann kennenlernte, erkrankte ich wieder und dachte das war es.
Ich fing zu dieser Zeit mit dem Stand-up-paddeln an, da er kitet und wir viel Zeit am Meer verbringen.
Wir fuhren jeden Dienstag ans Meer, unser Ocean Tuesday.
Wir redeten da nicht über Krebs sondern freuten uns über die Zeit am Meer, gingen baden, machten ein Picknick.

Jedes Mal, wenn ich auf dem Board stand, oder um den Flughafen joggte, hörte ich Drum’n’Bass Musik
(die kickt so richtig) und ich dachte mir innerlich „Ich schaffe das, ich schaffe das für dich, ich schaffe das für uns!“

Er erinnert mich immer wieder daran, dass es sich lohnt nicht aufzugeben und für die schönen Momente im Leben weiterzumachen. Das gibt mir Kraft und auch zu wissen, dass da jemand zuhause ist der auf einen wartet, der einen so liebt wie man ist und der in guten wie schlechten Zeiten für einen da ist.
Der einem die Hand hält bei der Befundbesprechung, der Chili con Carne isst und mitfurzt, wenn du von der Operation einen Blähbauch hast und du vom Furzen Schmerzen hast. Das verleiht mir Flügel.
Zu wissen, dass da jemand ist dem ich blind vertrauen kann, das gibt es nicht oft und genau das möchte ich nicht verlieren und dafür lohnt es sich jeden Morgen wieder aufzustehen und diese Herausforderung anzunehmen.
So einen Partner, so eine Liebesbeziehung habe ich mir immer gewünscht und jetzt aufzugeben, das wäre fatal. Und so sind wir nun verheiratet, verbringen die meiste Zeit am Meer und irgendwann cruisen wir um die Welt in unserem Camper.

Paula:
Angenommen du könntest allen Menschen auf dieser Welt etwas von dir schenken. Was wäre das?

Su:
Eine Runde auf dem Stand-up-paddle Board im Meer, in den Wellen.

Danke liebe Su, dass du dir die Zeit genommen und mir dein Vertrauen geschenkt hast.
Danke, dass es mir dank deiner offenen Art leicht gefallen ist, schwere Themen scheinbar leicht und selbstverständlich anzusprechen.
Obwohl ich selbst betroffen bin, merke ich, dass das noch immer schwer fällt.
Dass wir das trotzdem können, zeigt, dass es möglich ist.

Ps. Hat dir das Interview gefallen?
Ich verweise immer gern auf meine Kaffeekasse.
Mit deiner Unterstützung lade ich Su beim nächsten Treffen auf der Flughafenaussichtsplattform auf einen leckeren Chai ein 🙂


Der Link zur Kaffeekasse ist hier.

2 Antworten auf „Su, lass mal schnacken

  1. Ein ganz tolles Interview, das mir ein richtig gutes Gefühl im Bauch macht. Wer wie Su lebt, macht alles richtig. Das Leben ist eben das Leben, ohne Aufschieben auf morgen. Niemand, auch heute ganz gesunde Menschen, wissen ja nicht, was morgen oder nächstes Jahr auf sie zukommt. Mir hat im Mai eine Griechin im Urlaub folgendes gesagt: Heute bist Du gesund! Gemeint ist das als Mantra: Du liegst nicht im Bett, Di erfreust Dich an der Natur, Du kannst das Essen genießen, Du hast eine tolle Familie- sieh das was Du hast und bleib nicht auf dem hängen, was Dir fehlt. Sie meinte, das war das Lebensmotto ihrer Mutter und es hat ihr in ihrem 70-jährigen Leben schon sehr oft geholfen. „Heute bin ich gesund!“ Finde ich ein sehr schönes Lebensmotto, in dem viel mehr steckt, als nur die vier Worte. Liebe Grüße Ulli

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