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Close the care gap – Weltkrebstag 2024

Close the Care Gap ist auch in diesem Jahr der Claim des Weltkrebstages.
Das dritte Mal in Folge, weil es weiterhin nötig ist.
„Wir haben es nicht gewusst“, ist lange ein geduldetes Statement gewesen, um Menschen im Nachhinein nicht zu re-traumatisieren, Verantwortung nicht zuzuordnen, und Geschichte abzuschließen.
„Geschmacklos“, werdet ihr jetzt denken. „diese Einordnung“.
Vielleicht habt ihr recht.
Aber das Gesundheitssystem hat durch Versorgungslücken Leben auf dem Gewissen.
In sozialen Medien berichten Pflegekräfte über aktuelle Missstände. Die Tagespresse berichtet über Schließungen, Neuerungen, Fehler, die nicht passieren dürfen und ein Versagen der Digitalisierung.
Ich möchte uns alle in die Verantwortung ziehen, für alles, was noch passieren mag:
„Wir haben alles gewusst“, werde ich später erzählen, und dafür müssen wir Patient*innen jetzt laut sein und aufzeigen, was in der ersten Reihe passiert.

Gesundheit ist längst keine Sache mehr, die hinter verschlossenen Arzttüren bleibt, oder in einen Ingwer-shot passt.
Gesundheit ist leider politisch und das Gesundheitssystem ist aktuell kranker, als wir es je waren.
Lasst uns hinsehen und mit dem Finger drauf zeigen.
Auf diese Schere, die vor uns aufklafft: Darauf, dass die Wirtschaft bessere Überlebenschancen durch Fortschritt, Forschung, Wettbewerb befeuert (gut so!)- aber den Rückschritt an der Basis ignoriert.
Das meint nichts anderes, als dass die Möglichkeiten nicht jedem zur Verfügung stehen können. Und stehen werden.
Warum?
Weil ganze Stationen geschlossen werden, weil Fachärzte rar sind- Hausärzte sowieso.
Weil wir monatelang darauf warten, Untersuchungen wahrnehmen zu dürfen und Termine zum Teil monatelang im Voraus vereinbaren. Weil Medikamente nicht lieferbar sind. Krebsmedikamente. Fiebersäfte. Insulin. Lebensnotwendige Beschaffungsnöte.
Weil ich auf Bandansagen höre: „Wir führen keine Wartelisten“
Weil uns Menschen versorgen, die Corona-positiv sind, weil sonst niemand da wäre, der es täte.

Lasst uns auch im Kleinen sehen, dass gynäkologische Versorgung nicht barrierefrei möglich ist. Mobilitätseingeschränkte Personen haben kaum Möglichkeiten sich niedrigschwellig versorgen zu lassen. Weil wir Inklusion im Gesundheitswesen nicht leben – und vorleben.

Weil Schnittstellen nicht gut definiert sind und die Verwaltung und Dokumentation die eigene Effizienz, Nachvollziehbarkeit und Plausibilität in sich selbst begraben hat.
Weil wir weiterhin faxen.
Weil Kindernotaufnahmen wegen Überfüllung geschlossen werden und Eltern mit ihren kranken Kindern im Arm mit öffentlichen Verkehrsmitteln in eine andere Klinik geschickt werden.
Weil einige von der Intensivstation verlegt werden, um Platz zu schaffen- und gleichzeitig Betten belegt werden, um die Bilanz zu halten. Weil die Realität in Krankenhäusern so aussieht, dass Patienten nur grundversorgt werden.
Sie pflegen und unterstützen sich gegenseitig.
Wir wünschen uns individualisierte Medizin, und bekommen standardisierte Prozesse nur schwer gesteuert.
Der Fortschritt bleibt an rudimentären Stellen hinter seinen Möglichkeiten.

Ich habe in den letzten 6 Jahren so viel fassungslos miterlebt und muss sagen:
Lass uns aufhören, das Gesundheitproblem als ein Problem individueller Zielgruppen zu verstehen, und den Blick vom Einzelfall nehmen. Lasst uns den Fokus darauf setzen, was es ist: es ist ein wirtschaftliches Problem. Ein gemachtes-. Ein gewaltiges. Eine Krise.

Das System steht wackelig auf den Schultern einzelner, gewissenhafter Menschen, die sich weder auf die Straße kleben können, noch den Personenverkehr bestreiken- noch mit Traktoren die Innenstädte blockieren können, oder wöchentliche Demonstrationen for Future organisieren können, um den Fokus der Öffentlichkeit zu nutzen.
Die Lobby ist klein und gewissenhaft.
Sie springt in den nächsten Dienst, schließt eine Apotheke, oder liegt sterbend im Hospiz. Das ist die Gruppe, die für uns einsteht und dabei geht es um uns alle- und um die Kranken von Morgen.

Bei Instagram stehe ich und rufe euch zu, eure Vorsorgetermine wahrzunehmen, Verantwortung zu übernehmen und Möglichkeiten der Früherkennung anzunehmen und warte dabei selbst ein 3/4 Jahr auf einen Termin.
Vor einigen Jahren hat es mich frustriert.
Heute macht es mir Angst.

Wir Patient*innen können nicht streiken.
Wir können uns ja kaum gesund stellen, damit der Betrieb in Praxen, Krankenhäusern, Sanitätshäusern, Einrichtungen, Beratungsstellen, Ambulanzen, der Versorgungszentren unterbrochen wird, um denjenigen Zugang zu blockieren, die es selbst akut benötigen.
Und ehrlich? Wir wollen das auch nicht.
Aber was wir tun können, ist unseren Realitätsabgleich offen zu kommunizieren, um aus der Einzelfall-Falle herauszutreten.
Wir möchten handeln, und behandelt werden.
Wir möchten keine Opfer sein und sind doch am Ende die Betroffenen.
Wir möchten Sichtbarkeit in die Misswirtschaft.
Nicht hypothetisch, übertrieben oder dramatisch.
Es ist real und die Krise ist da.
Sie ist da, so lange wie Operationen wegen Personalmangels verschoben werden, sie sind so lange da, wie unsere Ärzte sich nicht fortbilden können, weil die Zeit fehlt, so lange da, wie Gelder fehlinvestiert und Gesundheit monetarisiert wird. So lange da, wie der Fakt- dass es sich nicht nur um Personalmangel handelt.
Langfristig gesehen ist die allgemeine Besetzung in Krankenhäusern, Praxen und Apotheken nicht gewährleistet, ohne Kompromisse in Ausbildung und Versorgung einzugehen. Die Menschen fehlen jetzt- und sie fehlen morgen.
Kompromisse, die nötig, aber schlecht sind.

Und manchmal, da werde ich gefragt, warum ich nicht mit meiner Erkrankung abschließen kann.
Es geht schon lange nicht mehr um mich.
Selbstverständlich hoffe ich, dass meine eigene Geschichte bereits erzählt ist und trotzdem: Es ist längst noch nicht alles gesagt.
Und darum mache ich weiter, suche Worte, auch wenn Ohnmacht und Wut dabei sind und halte die Finger in die Wunde.
Für mich, euch, die Patient*innen von gestern und alle zukünftigen, die nicht weniger werden, sondern mehr. Die, die ein Recht haben von einem Fortschritt der Medizin und Entwicklung zu profitieren.
Sie, die noch nichts von ihrer Diagnose wissen. Und von der Krise auch nicht.
Und das ist legitim.

Aber die Verantwortlichen, die müssen es wissen.

Gesundheit ist schon lange nicht mehr individuell. Sie ist politisch. Krankhaft politisch.
Ohne Ingwer, Gojibeeren und mit einem gesunden Lifestyle schon lange nicht mehr steuerbar.

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3 Antworten auf „Close the care gap – Weltkrebstag 2024

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