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2022 Pinktober Fluch und Segen

Jedes Jahr aufs Neue – Fluch und Segen – der Brustkrebsmonat. Pinktober.
Segen, weil der Monat ursprünglich im Zeichen der Solidarität, aber auch im Zeichen der Awareness steht, die Aufmerksamkeit gebündelt wird und viele Aufklärungsprogramme Gehör und geschätzte Aufmerksamkeit bekommen.
Im Oktober stehen die Spotlights auf Brustkrebs, fachlichen und persönlichen Inhalten, Geschichten, Programmen und Kampagnen.
Es werden Gelder generiert- und nicht zuletzt nehmen die Terminanfragen für erweiterte gynäkologische Vorsorge (wir sagen ja lieber Früherkennung) zu.
Im Oktober geht es rund- und das ist auch gut so.

Fluch, weil hinter allem, was Aufmerksamkeit bekommt, auch ein Business steht.
Es wird Geld verdient. Und wo Geld verdient wird, gibt’s Trittbrettfahrer, um die es heute gehen soll.
Meistens flattern diese Anfragen recht kurzfristig ins Mailpostfach- und ehrlich- ich mache das schon zu lange, um es diplomatisch zu beschönigen.

„Hallo Paulina, wir finden, dass du hervorragend zu unserer Brand passt! (Lobgesang zu meiner Person)
Anlässlich des Brustkrebsmonats möchten wir dir und deinen Followern ein Angebot unterbinden.
(Überrasch mich!)
Mit unserer Produktlinie mit der pinken Schleife (sehr inspirierend!) schenken wir dir ein Öl/Socken/Gewürze/ein Set/Vitamine/Shakes/Zugang zur Plattform/ Uhren oder Schmuck
(hier kannst du quasi jedes Produkt einsetzen).
Deine Follower sparen 15% mit einem Affiniate-Link und gleichzeitig spenden wir 1€ an eine Brustkrebsorganisation“

Es ist jedes- wirklich jedes Mal das Selbe.
Anfangs habe ich mich sehr geschmeichelt gefühlt. Ehrlich.
Die schaffen das- das sind Profis- und ich einen hauch naiv.
Aber bei genauem Hinsehen, handelt es sich bei etwa 90% der Anfragen um ein Pink-Washing.
Das meint eigentlich nichts anderes, als Produkte auf Kosten der guten Sache effizient zu vermarkten.
Dabei bist du liebe*r Betroffener das Vertriebsinstrument.

Du wirst auf Kosten deiner eigenen und persönlichen Geschichte instrumentalisiert, die Solidarität deiner Followerschaft zu benutzen, um Produktlinien zu bewerben.
Und von geschenkten Produkten kann überhaupt keine Rede sein. Du brauchst natürlich als neu ernannter Influencer ein Gewerbe, oder eine angemeldete Freiberuflichkeit und der Wert geschenkter Produkte, gehört natürlich in die Steuererklärung des Finanzamtes.

Ich schenke euch ein Rechenbeispiel:

Unternehmen A erhofft sich eine Umsatzsteigerung mit einem Duschgel.
Man produziert 1000 Duschgels und brandet es mit einer pinken Schleife.
Man schreibt also 100 Brustkrebsblogger an und macht ihnen oben genannte Offerte. Ein Duschgel kostet 10€.
Man kann also mit eurer Hilfe innerhalb kürzester Zeit 900 Duschgele verkaufen. Und das tut man auch- schließlich bedienen Krebsblogger fast 100% einer emotional zugewandten Zielgruppe.
Ein Attribut, was kaum eine andere Bloggerbranche so vorweisen kann – und dann noch zu so günstigen Bedingungen: Nämlich für das Unternehmen fast gänzlich umsonst.

Unternehmen A freut sich: Bei einem Umsatz von 9000€ musste lediglich 900€ Werbebudget eingesetzt werden- das ist der Anteil der Spenden.
Mehr noch: Spendet das Unternehmen an eine gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisation (was es natürlich tut), können die Ausgaben über die Gewerbe- oder Betriebsausgaben steuerlich noch geltend gemacht werden.

Und ehrlich? Das ist doch scheiße.
Nicht nur, dass man einem umsatzstarken Unternehmen mit seiner persönlichen Geschichte zu wirtschaftlichem Erfolg hilft – ihr verkauft eure Geschichte für einen individuellen Unternehmenserfolg.
Ihr investiert eure Zeit, eure Glaubwürdigkeit und eure Authentizität und glaubt dabei etwas Gutes zu tun und am Ende hatte diese Aktion nicht mehr Feuer als eine Streichholzflamme.
Marketing low Budget- auf Kosten eures sozialen Engagements.

Dabei ist die Message doch so klar!

Wir freuen uns, wenn Organisationen Aufmerksamkeit bekommen und Spendengelder denen zu Gute kommen, die sie verdienen.
Mit denen Fortschritt erzielt, Mut gemacht wird und Bereiche für Patient*innen abgedeckt werden, die keinen ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzen haben- dafür einen heilsamen-. Diese Projekte kosten natürlich auch Geld.

Lass uns mal das Kommerzielle aus dem Pinktober nehmen und darauf besinnen, wofür er steht.
Lass und Unternehmen lenken und darauf bestehen, dass wir für ganzjährige Prävention stehen- und dass die Wenigsten unserer Geschichten tatsächlich auch im Oktober beginnen. Lass uns Unternehmen vertrauen, die sich ganzjährig für Awareness einsetzen, ganzjährig unterstützen, ganzjährig kommunizieren und sich verantwortungsvoll dem Thema Brustkrebs nähern.
Lasst uns aber auch unsere Geschichte verantwortungsvoll behandeln. Hinter unseren Gesichtern stehen Familien, Kinder- und Eltern.
Lasst uns nicht die sein, die Produkte vermarktet, sondern lasst uns die sein, die Inhalte transportiert.

Es gibt diese Unternehmen, die Verantwortung übernehmen und von denen ich das ganze Jahr lese.
Die redaktionelle Inhalte, Recherche und Angebote bereitstellen.
Die nicht nur Nehmer, sondern auch Geber sind.

Was ich sagen will- lenkt mit Pauken und Trompeten auf Kampagnen, die sinnvoll sind.
Die, die  Mehrwert für euch und für andere bieten. Schaut genau hin- hinter jede pink gebrandete Zahnseide, die im Angebot ist.
Ihr seid die Zielgruppe. Ihr seid die Gesichter hinter den Krebsgeschichten.
Ihr seid Vermarkter und ihr seid die Kund*innen.
Im Ergebnis haben wir also alles, was wir brauchen, um den Oktober neu zu definieren.
Denn wenn wir uns alle tief in die Augen schauen: der Monat ist nicht für uns.
Er ist für die Patient*innen für morgen.
Es geht um Sichtbarkeit, um Solidarität, um Wissenstransfer und um Vernetzung.
Es geht um Projekte, und Engagierte. Um Ideen und immer wieder um die Menschen.

Unterstützt Hersteller, die eine Krebsbezogene Aufgabe haben, unterstützt die, die mit mehr Umsatz Krebsprojekte unterstützen.
Schaut kritisch hin, welche Produkte im Potpurri sind. Ein Duschgel mit krebserregenden Inhaltsstoffen ist es jedenfalls nicht.
(*Produkt beispielhaft und frei erfunden)
Lasst euch für Werbung bezahlen und spendet die Beträge- aber bitte, bitte lasst uns aufmerksam hinschauen in diesem und kommendem Oktober.
Denn hinter unseren Geschichten darf keine Marketingstrategie stehen. Das wird der Krankheit nihct gerecht. Nicht zu diesem Preis.


Bleibt bei euch. Tut das, was ihr immer macht und vergesst nicht zu sagen, dass wir für nachhaltige Aufmerksamkeit stehen. Jahresübergreifend.

Pinktober, Pinkvember, Pinkzember.
Brustkrebs kennt keinen Kalender.

Eure

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Großen Dank!

3 Kommentare zu „2022 Pinktober Fluch und Segen

  1. Ich finde es gut, dass du so offen darüber sprichst. Mittelteile geht es da nur noch um Konsum wie ich finde. Für die bereits Betroffenen wird da irgendwie nix gemacht. Danke für deinen Beitrag und deine Authentizität 🤍

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