2019 · Allgemein

2019 Juni Das Haus

Seit unser Sohn auf der Welt ist, suchen wir nach einer neuen Wohnsituation für unsere kleine Familie.
Natürlich „geht alles“, man rückt enger zusammen und findet sich zurecht. Aber offen gesagt waren wir auch oft ziemlich frustriert, nichts passendes zu finden.
Ich fasse mich kurz: Der Lütte wird bald 6 Jahre alt und wir irrten noch immer im Hamburger Immobilien-Dschungel orientierungslos herum.
Wir waren eigentlich recht offen für alles: Miete, Kauf, Haus, Wohnung….
Eigentlich wollten wir nur ein kleines Zimmer mehr (Büro).
Eine Küche, in die ein Tisch passt an dem man Plätzchen backen, Uno spielen und Hausaufgaben machen kann, und wenn es super gut liefe- noch ein Gäste WC.
Eigentlich würde alleine dieses Kapitel schon eine eigene Rubrik verdienen- es gab wirklich nichts, was es in diesem Immobilien-Spektaktel nicht gab:

  • Wir besichtigen ein Haus. Schon bei Hereintreten riechen wir Feuchtigkeit. Trotz offenem Fenster riecht es nach Keller.
    Wir fragen den Makler nach Schäden im Mauerwerk- er atmet demostrativ tief durch die Nase ein (ehrlich, seine Nasenlöcher klebten sich dabei an die Nasenscheidewand) und sagt:
    „Hier wird oft Wäsche getrocknet, deshalb denken Sie, dass es hier feucht ist. Ist es aber nicht“.
    Beim Hinausgehen werfen wir einen Blick an die Hauswand- es stellte sich heraus, dass der Schornstein zusammengefallen war und Wasser offenbar seit längerem ungebremst das Haus vollregnen konnte.
  • Das Exposé sah fantastisch aus, wir besichtigen ein Haus. Es hat einen Anbau.
    Beim Übertreten in den Neubau fällt uns auf, dass die Stufe verschoben und irgendwie viel höher ist, als vom Normmaß zu erwarten.
    Wir gucken an die Decke und auf den Fußboden du verlassen fluchtartig das Objekt- der Anbau war abgesackt, das Gebälg schief.
    „Ja, das Haus ist abgesackt, aber das ist wirklich nicht schlimm“
  • „Wir haben eine Liegenschaft im Angebot, die auf einen Erbpachtgrundstück liegt….“
    „Danke, wir sind wirklich offen, aber Erbpacht kommt für uns nicht in Frage, das wissen Sie doch.“
    Eine Woche später.
    „Guten Tag- wir haben ein traumhaftes, neues Zuhause für Sie- es liegt auf einem Erbpachtgrundstück!“
    WTF??
  • ….und deshalb verkaufen wir dieses 60m²-Vorkriegsobjekt, das mit Asbest-Platten beschlagen ist, kein fließend Wasser hat und die Elektrizität von der Außensteckdose der Garagenanlage anzapft, die Großmutter des Urneffen des preußischen Kaisers lebenslanges Wohnrecht hat,  für einen Schnäppchenpreis von 730.000€!!!!

Ende 2017 besichtigten wir ein kleines Reihenhäuschen, das uns wirklich gut gefallen hat. Also wirklich gut.
Gedanklich fuhr ich schon mit dem Fahrrad zur nächsten Grundschule und legte die Gemüsespieße auf den noch nicht vorhandenen Grill.
Der Makler sollte uns noch Unterlagen zur Finanzierung zuschicken und theoretisch hätte man den Kaufprozess einleiten können.

Theoretisch- denn praktisch hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon diesen Knubbel in der Brust, von dem ich wusste das es Krebs war.

Wir bekamen kalte Füße, ich hatte Angst bekommen und wir ließen den Traum „Immobilie“ für die kommenden zwei Jahre fallen wie eine heiße Kartoffel.
Wisst ihr, ich hatte wahnsinnig lange auch Ängste vor materiellem Verlusten. Es gab Durststrecken, in denen hatte ich keine Hoffnung auf ein langes Leben mehr- ich hätte mir keine Unterhosen gekauft, weil ich nicht einsah, wofür.
Ausgerechnet dann einen Kredit abschließen- erschien mir irgendwie absurd und ich gab auf.

Glücklicherweise kam die Zuversicht mit meiner Genesung wieder.
Inzwischen arbeite ich wieder und obwohl Brustkrebs eine Erkrankung mit einer recht hohen Rückfallquote ist,  traue ich mich in eine Zukunft zu schauen.
Nein, ich wäge mich nicht in Sicherheit, aber ich erlaube es dem Krebs nicht mehr, mir in meine Lebensplanung zu marschieren- besonders dann nicht, wenn ich aktuell keinen Nachweis über Krebs in meinem Körper trage.

Lange Rede kurzer Sinn:
Wir nahmen die Immobiliensuche Ende Mai wieder auf. Wir stellten uns auf einen Besichtigungsmarathon ein- aber wir gingen es entspannter an.
Wir hielten einen Hauskauf für so unwahrscheinlich, dass wir für den Herbst eine umfassende Renovierung unserer Wohnung geplant hatten.
Denn ich sehnte mich nach einer Farbauffrischung, etwas Neuem an der Wand, an die ich so viele Löcher gestarrt hatte, dass ich mir einbildete, sie inzwischen wirklich sehen zu können.
Ein Neuanfang sollte es sein.

Wir besichtigten ein Häuschen in unserer Umgebung, fragten Löcher in den Bauch des Maklers, er antwortete uns nett und kompetent.
Wir sponnen laute Ideen und obwohl es eine ganze Menge zu tun gibt, sahen wir uns in diesem kleinen Stück Haus als kleine Familie leben.
In der Straße, in der das Haus steht, leben viele Familien mit fünfjährigen Kindern, obwohl wir in der Stadt leben ist diese Straße ein Stück Bullerbü.
Auf den Straßen sind Kreidemalereien, Kinder fahren Inlineskates und rennen von Garten zu Garten, das Haus war hell, solide, und bot Platz für unseren ganz eigenen Ideen vom Leben.

Sagt selbst: Wäre es nicht absurd, es nicht zu kaufen?

Und deshalb taten wir es. Wir haben ein Haus gekauft, das für uns nicht nur ein Haus ist.
Es steht für das Vertrauen, für Ziele und so kitschig es auch klingen mag: für Zuversicht, dass alles gut wird.

(Und wenn nicht? Dann überlegen wir weiter)
Und jetzt wird erstmal gelebt, gearbeitet und bald auch umgezogen.

 

Bis bald!

 

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