
Heute ist Weltfrauentag und weil ich mich viel mit weiblicher Gesundheit befasse und damit auch Frauenthemen einhergehen ist an vielen Stellen die Erwartung hoch, mich dazu zu äußern.
Kurzum: Ich bin genervt vom Weltfrauentag.
Denn während Frauen sich gegenseitig supporten, aufklären und in Bewegung gehen, entdeckt der Handel ein neues Potential und bringt Männer dazu, mit Blumen (und pinken Produkten) vor der Türe zu stehen, ein „Alles Gute zum Frauentag“ herauszudrücken und ein Lob dafür einzuheimsen.
Nein. Einfach nein.
„Nichts macht man richtig“, denken sie dann.
„Sie haben doch schon den Muttertag“, murmeln sie ins Bier.
„Was wollen sie denn noch?“, raunt es über den Stammtisch.
Beantworte ich gern: Aus dem „sie“ ein „wir“´ wollen wir.
Und dafür gilt es Weiblichkeit, Feminismus und Rollenbilder zu verstehen.

„Entdecke deine Weiblichkeit wieder“ , „Wir möchten Frauen ihre Weiblichkeit zurückgeben“ „…..damit Sie sich wieder weiblicher fühlen“.
Jeden Tag habe ich Kooperationsanfragen dieser Art in meinem Postfach und es macht mich sauer.
„Ich fühle mich so unweiblich“ „Ich wünsche mir, meine Weiblichkeit zurück“
„Ohne Brüste fühlen die Frauen sich oft unweiblich“.
Oft lese ich in Foren Beispiele wie diese. Alle davon machen mich traurig,
Auch die Antworten darauf sind unangemessen:
„TROTZDEM eine Frau“ „Frauen sind MEHR, als ihre Brüste“
Sicher werdet ihr den ein- oder anderen Satz schon gelesen, oder selbst benutzt haben und vielleicht trete ich euch damit auf die Füße.
Aber lass uns doch mal genauer hinschauen: All diese Argumente versuchen die Aussage zu neutralisieren- keine davon schmettert die Grundbehauptung ab.
Weiblichkeit. Was soll das überhaupt aussagen, wenn wir und doch grundsätzlich als weiblich definieren?
Grundsätzlich weiblich. Oder “ nur ein bisschen weiblich?“ oder: Aktuell nicht weiblich genug? Und noch wichtiger: Was ist denn UNweiblichkeit?
Wie kann man sich denn – vorausgesetzt man identifiziert dich als Frau- unweiblich fühlen?
Die Negation eines Zustandes muss im Umkehrschluss einen neuen Zustand ergeben,
Wenn man also unweiblich ist, ist man in der Folge ein Mann, oder ordnet man sich zwischengeschlechtlich- also Nonbinärität zu.
In den allermeisten Zusammenhängen, in denen ich unterwegs bin, nämlich dem Körperbefinden nach einer gynäkologischen Erkrankung, der Abnahme oder Verletzung einer Brust durch Krankheit ist das nicht der Fall.
Den Zusammenhang trotzdem herzustellen ist kontaproduktiv und schlichtweg diskriminierend.
Und trotzdem sind Gefühle und eine Auseinandersetzung eines ungewohnten Körpergefühls valide.
Vielleicht fühlen wir uns fremd, ungewohnt, plump oder nicht attraktiv für diesen Moment.
Aber: Wir fühlen uns nicht unweiblich.
Lass uns die Sprache bitte dahingehend sensibel einsetzen.
Weiblichkeit in Frage zu stellen ist so wahnsinnig defizitorientiert.
Es hält klein, bietet Raum für Menschen, die sich daran bereichern.
Aber lass dir sagen: kein Produkt dieser Welt wird aus etwas Unweiblichem, etwas Weibliches machen.
Das kannst nur du selbst. Und mehr noch:
Der Glaube und das Verständnis von gesellschaftlicher Weiblichkeit verzerrt das Verständnis vom Feminismus.

(an dieser Stelle ein kleiner Songtip zum neu Ausrichten Kim Hoss: Underboobsweat
Feminismus und Verständnis von Weiblichkeit werden übrigens oft vermischt.
So spielen Politiker bestimmter extremer Parteien mit einem definierten Rollenbild der Frau, um Feminismus zu unterdrücken.
Während das Verständnis von Weiblichkeit immer (!) ein Gefühl ist, ist Feminismus eine konkrete faktenbasierte Forderung.
Das Vermischen von beidem ist schlichtweg ein politischer Schachzug Forderungen im Sinne der Gleichstellung zu unterdrücken.

Und das ist absurd. Es geht im Feminismus nicht um Macht.
Es ist keine „Anti-Männer-Haltung“, keine Wegnehmerei, oder „mehr-haben-wollen“.
Wir Frauen wollen keine Männer sein.
Es geht darum, Raum für Verantwortung zu bekommen, damit beide Seiten profitieren.
Und überall im Leben ist es so; Verschiebt man seine Grenzen, setzt man die des Gegenübers neu.
Deshalb wird diese Haltung als Platzhirscherei der Frau interpretiert,
Veränderungen sind schwer, wenn sie von anderen gefordert werden und genau deshalb drehen wir uns in diesen Debatten so oft im Kreis.
Ich schwinge deshalb meinen heutigen Besen und möchte mit dem heutigen Artikel vor meiner- und anderen Haustüren kehren.
Ein kleines Beispiel aus meinem Alltag:
Betrachtet man mein eigenes Lebenskonzept wirkt es auf den ersten Blick ganz und gar nicht feministisch.
An sonnigen Tagen steht mein Mann am Grill, während ich den Nudelsalat herrichte und den Tisch decke.
Während ich die Wäsche aufhänge, widmet sich mein Mann der Autowartung.
Ich suche mit meinem Sohn den Weihnachtsschmuck aus, mein Mann zieht den Weihnachtsbaum animalisch hinter sich her und bearbeitet den Stumpf mit einer Säge, damit das Ende in den Weihnachtsbaumständer passt.
Ich bin für Wäsche zuständig, mein Mann sitzt in seiner Werkstatt und freut sich über einen Kaffee, den ich ihm bringe,
Mein Mann findet Nagellack bei Männern fragwürdig- während ich ihm mit einem Sideeye zuzische „lass sie doch!“.
Sind wir hier bei Geschmack, oder bei Dabatten?
Für einen Kurztrip packe ich die Provianttasche und mein Mann lässt sich die Apfelschnitze in die Hand geben, während er am Steuer über die Autobahn düst.
Ich gehe zu den Elternabenden und backe die Plätzchen in der Weihnachtsbäckerei. Klar.
Ich schminke mich gern, verwöhne meine Familie kulinarisch (ich liebe das Kochen)- und die Male, die mein Mann
in über fünfzehn gemeinsamen Jahren bei Ikea war, kann ich an einer Hand abzählen.
„Alles Plünn“, grunzt er, wenn ich mit der prall gefüllten blauen Tüte um die Ecke komme.
Auf den ersten Weg weht hier kein feministischer Wind durchs Haus.
Auf den ersten Blick führen wir einen sehr rollentypischen Haushalt.
Auf den zweiten Blick möchte ich sagen: Doch. Sehr sogar,
Denn genauso wie wir Weiblichkeit von Feminismus trennen müssen, müssen wir aufhören in Rollenbildern zu denken.
Jeder macht das, was er gern mag und was er kann.
Eigene Präferenzen sind zwar rollentypisch-, aber das ist eher Zufall, als Absicht.
Es geht eher darum, die eigenen Skills familieneffizient einzusetzen.
So muss mein Mann auch mal den Staubsauger schwingen, weil ich das Geld nach Hause bringe.
Er macht super Aufläufe, kontrolliert Hausaufgaben und schmiert morgens die Brote.
Er packt Geschenke ein, und wenn wir Besuch haben, räumt er danach die Folgen meiner kreativen Küche auf.
Ich hingegen kann Motorhauben öffnen und Wischwasser nachfüllen. Ich schreibe Rechnungen und informiere mich über Restaurierung der Abwasserleitungen mittels Inlays. Wenn die Getränke alle sind, besorge ich neue.
Es geht darum die anfallenden Aufgaben zu sehen, abzusprechen und zu bearbeiten.
Es geht nicht einmal um das Delegieren selbiger, sondern um die Sensitivität zu sehen, sich gegenseitig zu entlasten und einzusetzen.
Und ja: das ist eine Form von Respekt. In beide Richtungen.
Es ist auch eine Form gegenseitiger Absicherung. Wie kompensiert man Ausfall?
Und das beinhaltet nicht nur haushaltsnahe Dienstleistungen, sondern auch Finanzielles.
Meine finanzielle Bildung als Frau ist wichtig. Und hierbei geht es nicht nur um eine mögliche Rente (aber auch!), sondern um die Tatsache, was im Falle einer Trennung, oder Witwenschaft passiert.
Und es ist doch einfach: Verdient eine Frau so viel, wie der Mann (bei gleicher Eignung und Leistung), kann auch die Frau mögliche Ausfälle kompensieren.
Verdient die Frau mehr als ein „Taschengeld“, steigt das gemeinsame Familieneinkommen.
Zurück zu meinem Haushalt:
Habe ich die Möglichkeit mehr Geld nach Hause zu bringen, profitieren alle und ich habe noch nie erlebt, dass mein Mann mit den Augen gerollt hat.
Es muss aber klar sein, dass er in der Zeit das Kind abholen- und das Abendessen vorbereiten muss.
Und sehen wir es doch mal so:
Der Druck eine Familie versorgen zu müssen muss doch riesig sein.
Wäre es nicht einfacher diesen Druck zu verteilen? Von einer gerechten, selbstbestimmten Aufgabenverteilung profitieren alle,
Die Vaterrolle, in der das Kind nicht hochschauen muss, sondern auf Augenhöhe begegnet ist so viel wert.
Präsenz im Alltag und der Kindheit zu haben ist ein Privileg, an dem es Männern nicht mangeln muss.
Kinder sind eine bewusste Entscheidung, und es geht schon lange nicht mehr um Versorgung im Alter, sondern um Begleitung in ein Leben, dass unsere krisenhaftete Zukunft lenkt und resilient dagegen hält.
Es ist allerdings in der Praxis nicht so einfach. Auch in meinem Haushalt nicht.
Mein Mann organisiert anders. Pragmatischer.
Da er auch Aufgaben übernehmen muss, die ihm nicht so sehr liegen (um mir den Rücken freizuhalten) sind auch Kompromisse im Spiel, die Konfliktpotential bieten (anders herum natürlich auch).
Und trotzdem lohnt sich dieser Konflikt.

In der Erziehung unseres Sohnes sind wir uns einig: Wir wollen nicht, dass ein zukünftiger Lebensgefährte von seiner Lohnerwerbsarbeit abhängig ist, und wir wollen ihn gleichermaßen nicht hilflos in der Lebensgestaltung ins Leben entlassen.
Wir versuchen ihm zu vermitteln, dass Redewendungen wie „Der Mann hat die Hosen an, aber die Frau entscheidet welche“ , oder „Der Mann ist der Kopf der Familie, aber die Frau der Hals“ zwar schon fortschrittlich sind, aber wir an gleichwertige und gleichberechtigte Doppelspitzen glauben.
Dass Versorgung keiner Aufgabenhierarchie unterliegt, sondern beide Geschlechter sich verantwortlich fühlen müssen.
Wir versuchen ihm zu erklären, dass Wertung nah an Abwertung liegt und dass Selbstwert etwas ist, das man pflegen muss.
Dass Männer und Frauen Grenzen haben, die es zu wahren gilt und das kein Geschlecht dem anderen unterliegt.
Wir sprechen über Respekt und darüber, dass es kein Ausdruck von Komplimenten ist, jemanden auf den Po zu klapsen, oder hinterherzupfeifen.
Ich erzähle darüber, wie ich mich fühle, wenn ein Arzt meine Hand nimmt (und weiß, dass er es bei einem männlichen Patienten nicht tun würde).
Kein sexueller Übergriff, und dennoch übergriffig genug, damit ich mich unwohl fühle.
Ich möchte, dass wir darüber sprechen, dass Frauen sich mulmig fühlen, wenn sie im Dunkeln nach Hause gehen.
Und dabei haben sie keine Angst vor der Dunkelheit; Sie haben Angst vor Männern.
Wir können alles davon vermeiden und dennoch sind wir Frauen es, die es einfordern müssen´, weil wir über Rollenbilder und Geschlechteridentitäten definiert werden.
Ich würde mir wünschen, dass es diesen blöden Weltfrauentag nicht geben müsste.
Ich würde mir wünschen, dass wir nicht über eine Frauenquote sprechen müssten.
Ich wünsche mir, dass wir nicht über Einschränkungen und Schuld sprechen, wenn es um Feminismus geht,
sondern über Möglichkeiten.
Es geht nicht um den „bösen alten, weißen Mann“ als Person. Es geht um die Rolle, die wir an seiner Seite spielen.
Das Feminismus für mich.
Wer Weiblichkeit in Frage stellt, um feministische Bewegungen zu unterdrücken hat folgendes nicht verstanden:
Feminismus ist nicht weiblich. Feminismus ist gesellschaftlich.
Und weil das hier eigentlich ein Brustkrebsblog möchte ich ganz kurz etwas sagen;
Brustkrebs ist auch nicht weiblich,
Von rund 70.000 Neuerkrankungen im Jahr, erkranken 700 Männer mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an der Erkrankung zu sterben.
Und das liegt nicht am Krebs, sondern daran, dass die Erkrankungen zu spät entdeckt werden.
Indem Männer (und Frauen!) die Erkrankung Enttabuisieren, Entsexualisieren und aus der Geschlechterschublade holen können wir die Neuerkrankungen nicht verhindern, aber die Mortalitätsrate drastisch senken.
Das ist Feminismus, wie ich ihn schätze. Für alle ein win-win.
Leider sind wir noch nicht da, wo wir gerne wären.
Vielleicht habt ihr schonmal von der Gender-Data-Gap gehört? Eine medizinische Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft, Forschung und der Erstellung und Auswertungen von Studien.
Es ist so wichtig, dass wir uns alle für die Gleichbehandlung aussprechen.
Deshalb möchte ich euch zum Schluss noch einen Artikel ans Herz legen:

Über Ungleichbehandlung in der Medizin
Eure

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann lade ich dich ein, durch alle Artikel dieses weiterhin lebendigen Blogs zu lesen.
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„
